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War­um schei­tert so oft die Ein­füh­rung von OKRs?

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OKR ist irgend­wo “der neue hei­ße Scheiß” auf dem Markt des Manage­ment-Con­sul­tings. Dabei ist weder Objec­ti­ves and Key Results noch der Ursprung Manage­ment by Objec­ti­ves wirk­lich neu: Letz­te­res ist fast schon 70 Jah­re alt, ers­te­res über 40. Und doch wird es nun über­all ein­ge­führt, seit Goog­le das Gan­ze bekannt gemacht hat und jeder natür­lich so inno­va­tiv und erfolg­reich sein möch­te, wie Goog­le (in der Außen­wahr­neh­mung erscheint). Über das „war­um es den­noch nicht unbe­dingt funk­tio­nie­ren wird“ will ich im Fol­gen­den kurz sinnieren.

Die Idee hin­ter den OKRs ist, wie so oft, recht sim­pel und damit geni­al: Statt Mit­ar­bei­ter zu mikro­ma­na­gen, wer­den gemein­sam Zie­le defi­niert, wobei die Mit­ar­bei­ter rela­tiv frei und selb­stän­dig agie­ren kön­nen, um die­se zu errei­chen (neu­deutsch: die Mit­ar­bei­ter wer­den empowered). Einer Unter­neh­mens­vi­si­on fol­gend wer­den jene Zie­le (Objec­ti­ves) erar­bei­tet und mess­ba­re Ergeb­nis­se (key results) defi­niert, die zur Erfolgs­mes­sung ver­wen­det wer­den kön­nen. Dabei gilt jedoch der Grund­satz, dass auch die nicht voll­stän­di­ge Erfül­lung kei­nen Miss­erfolg dar­stellt und dass die mehr­fa­che Über­erfül­lung (100 % Errei­chung) eher dafür spricht, dass die Zie­le zu ein­fach gesteckt waren und daher bei der nächs­ten OKR-Ite­ra­ti­on ent­spre­chend höher gesteckt wer­den sollten.
War­um sind OKRs begrü­ßens­wert? Mit­ar­bei­ter, die selbst­or­ga­ni­siert und selbst­ver­ant­wort­lich agie­ren dür­fen, sind glück­li­cher und pro­duk­ti­ver – also ein Win-Win für bei­de Sei­ten: das Unter­neh­men und die Mitarbeiter.

Sys­tem­feh­ler

Und doch habe ich schon oft erlebt, dass die Ein­füh­rung der OKRs nicht ange­nom­men wird, im San­de ver­läuft, immer wie­der neu pro­biert wird, um dann das OKR Pla­kat mit den Zie­len doch wie­der ein tris­tes Dasein an einer Wand irgend­wo im Büro – mög­lichst zen­tral und doch gänz­lich aus­ge­blen­det – zu fristen.
Wor­an liegt es? Die­se Fra­ge hat­te ich mir selbst häu­fi­ger gestellt und bin dann erst vor kur­zem bei einer Dis­kus­si­on mit einem Kol­le­gen auf die mög­li­che Ursa­che gesto­ßen. Die Hypo­the­se: Es schei­tert, weil die Leu­te gar nicht empowered sind und gar nicht selb­stän­dig und eigen­ver­ant­wort­lich die Zie­le defi­nie­ren und ver­fol­gen können/​dürfen!
Die OKRs schei­tern an den Ent­schei­dungs­hier­ar­chien vie­ler Unter­neh­men. Denn am Ende muss bei radi­ka­len Ideen dann doch der Abtei­lungs­lei­ter, Geschäfts­füh­rer oder der Vor­stand um Erlaub­nis gefragt wer­den, wenn es dar­um geht, etwas zu ris­kie­ren, zu inves­tie­ren, um so ein gesetz­tes Ziel zu erreichen.

Die Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht als obers­tes Ziel

Dafür ein fik­ti­ves Bei­spiel. Ein pri­vat­wirt­schaft­li­ches Unter­neh­men wird in den meis­ten Fäl­len von der Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht ange­trie­ben, also dem Ziel, einen Gewinn zu erzie­len (so auch im Ein­kom­men­steu­er­ge­setz fest­ge­hal­ten). Wenn die­se Gewinn­erzie­lung das obers­te Ziel ist, müss­ten ent­spre­chend alle Objec­ti­ves direkt oder indi­rekt auf die­ses Ziel ein­zah­len, da ohne einen Gewinn ein pri­vat­wirt­schaft­li­ches Unter­neh­men über kurz oder lang in exis­ten­zi­el­le Nöte gerät.
Wären die Mit­ar­bei­ter bei der Erfül­lung die­ses obers­ten Ziels tat­säch­lich empowered, könn­ten sie selbst ent­spre­chen­de Objec­ti­ves defi­nie­ren, um Gewin­ne zu erzie­len. Die­se Zie­le könn­ten auch “out of the box” nicht ganz dem aktu­el­len Pro­dukt­port­fo­lio ent­spre­chen und sicher­lich auch ein Risi­ko ber­gen (aber auch die Chan­ce, ein neu­es Geschäfts­feld zu erschlie­ßen). Theo­re­tisch könn­ten also die Mit­ar­bei­ter einer Abtei­lung bei einem fik­ti­ven Auto­bau­er fest­stel­len, dass es aus ihrer Sicht loh­nens­wert sein könn­te, statt der Autos lie­ber Kühl­schrän­ke zu bau­en, da sie hier schon durch die Kli­ma­an­la­gen eine gewis­se Exper­ti­se haben und einen Gewinn wit­tern. Sie wür­de die­ses Ziel in meh­re­ren OKRs defi­nie­ren, Metri­ken für den Erfolg defi­nie­ren und Mon­tag früh mit dem Bau von Kühl­schrän­ken beginnen.

Von den Sandburgen

In der Pra­xis wer­den sie das aber ver­mut­lich nicht dür­fen. Spä­tes­tens, wenn sie Geld für ein Invest­ment benö­ti­gen, wer­den sie die Hier­ar­chie­ebe­nen durch­lau­fen müs­sen, um von einem der stra­te­gi­schen Ent­schei­der eine Frei­ga­be zu erhal­ten. Wird die­ser der Idee des durch ORKs empower­ten Teams fol­gen? Selbst wenn dem so ist (davon gehe ich aller­dings nicht aus), ist allein die Tat­sa­che, dass der Ent­schei­der über­haupt gefragt wer­den muss, mei­ner Mei­nung nach wider der Idee vom wirk­li­chen Empower­ment. Wenn man die Sand­box, in der man spielt, nicht ohne Erlaub­nis ver­las­sen darf, besteht die Gefahr, dass das Spie­len mit Sand auf Dau­er lang­wei­lig wird, wenn sich alle über­ge­ord­ne­ten Zie­le doch wie­der nur um wei­te­re Sand­bur­gen dre­hen. Und mit die­ser Lan­ge­wei­le steht und fällt der Erfolg und die Akzep­tanz von OKRs.
Gibt es Unter­neh­men, die sich tat­säch­lich trau­en wür­den, die­ses Risi­ko des Mit­ar­bei­ter-Empowerm­ents durch OKRs voll­stän­dig einzugehen?